Narbenäste

  • Hallo zusammen,


    ich erlebs immer wieder, dass bei manchen Hybriden nach dem Öffnen der Blüte die Narbenäste noch ganz geschlossen sind, also quasi dicht an dicht beieinander liegen. Was macht ihr denn dann ? Bestäubt ihr die Blüte erst wenn sie auseinander gehen oder ist euch das egal.


    Ich muss zugeben, ich selber hab mir da bisher noch nie große Gedanken drüber gemacht, aber bei dieser Hitze komm ich anscheinend auf alle möglichen komischen Sachen und da wollte ich mal bei euch nachfragen :)


    Viele Grüße


    Thomas

  • Ich bezeichne intern die Narbenäste als Finger, aber egal, keine Ahnung wie das auch immer heißen mag.

    Das kenne ich nur allzu gut, tritt aber eher bei Echinopsis, Lobivia oder HWH auf, bei TH eher nie.

    Wenn ich die bestäuben möchte, versuche ich die "Finger" mit dem Wattestäbchen oder Pinsel aufzubiegen und den Pollen auf der Innenseite zu plazieren.

    Ich vermute, dass die Pollen nur auf der Innenseite keimen, weiß es aber nicht.

  • Danke für die Frage, Thomas!


    Ich mache es auch so. Allerdings komme ich mit den von Jürgen empfohlenen Microbürsten wesentlich leichter zwischen die Narbenäste als früher mit Wattestäbchen. Die hatten dafür meistens wesentlich mehr Pollen auf der Oberfläche.


    Generell ist es eine interessante Frage, an welchen Stellen die Narbe empfängnisfähig ist - ich bringe den Blütenstaub immer mit rollenden Bewegungen auf die gesamten Oberflächen der Narbenäste, rundherum, bei so vielen wie möglich. Ich habe aber überhaupt keine Ahnung, ob das sinnvoll ist, habe aber bislang gehofft, dass die Chancen auf eine erfolgreiche Bestäubung damit erhöht sind. Ebenso könnte man sich dann im Umkehrschluss die Frage stellen, ob es nicht völlig ausreichend wäre, wenn man lediglich die Narbe an den zugänglichen Stellen mit Pollen in Kontakt bringt und man sich dadurch das "Aufbiegen" stattdessen schenken kann.


    Mir bleiben also zunächst drei Fragen:


    - (wo) ist die Narbe überall empfängnisfähig?

    - wann ist sie empfängnisbereit? (erkennt man das so ohne Weiteres?)

    - wieviel Pollen(körner) sind für eine Befruchtung nötig und ist zusätzlicher Pollen von Nutzen für die Samenkornanzahl?


    Beste Grüße,

    Tim :cool:

  • Danke schon mal für eure Antworten. Das witzige ist, dass wir es wohl alle vier instinktiv recht ähnlich machen, ich versuch auch immer zwischen die geschlossenen Äste oder Finger oder wie sie auch sonst heissen mögen, zu kommen. :)


    Und du hast recht Siegfried, sowas fällt mir eigentlich auch nur ab und zu bei LHs, CHHs, oder EHs auf, bei einem Tricho hatte ich das noch nie, glaube ich.

  • Es kann manchmal vorkommen, dass die Narbenäste miteinander verwachsen sind und sich nicht durch mechanisches Eingreifen trennen lassen. Dann ist es aber trotzdem möglich, eine Bestäubung durchzuführen, indem man den Pollenstaub auf die Außenseite der Narbenäste aufträgt.

    Zitat von myoho07

    Ich vermute, dass die Pollen nur auf der Innenseite keimen, weiß es aber nicht.

    Nein. Die gesamten Narbenäste sind von entsprechenden pollenrezeptiven Zellen überzogen, die die Aufgabe haben, die Pollenkörner an ihre Oberfläche zu heften bis es zur Pollenauskeimung kommt. Diese Zellen besitzen in der Regel zusätzlich epidermale Ausstülpungen nach außen, die Noppen- oder Borsten-ähnliche Strukturen annehmen, um die rezeptive Eingangsfläche für den Pollenstaub zu vergrößern (Stichwort Oberflächenvergrößerung). Sehr interessant zu mikroskopieren, auf der Webseite von Familie Ohr finden sich recht schöne Bilder von Narbenoberflächen am Beispiel von Echinocereus mapimiensis, jeweils im bestäubten & unbestäubten Zustand: https://www.echinocereus.de/ku…echinocereus-mapimiensis/


    Sofern man jedoch die Möglichkeit hat, beide Narbenseiten zu bestäuben (wenn sich die Narbenäste also im Idealfall eigenständig voneinander lösen, bzw. mit dem Pinsel / Wattestäbchen gut zwischen die einzelnen Äste hineinkommt, wie AndreasH beschrieb) würde ich jedoch immer dazu raten, möglichst viel Narbenfläche (innen + außen) mit Pollenstaub zu bedecken, weil das die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Bestäubung ordentlich hochschrauben sollte. Helfen kann übrigens auch, im Abstand von 1-2 Stunden über den Tag verteilt mehrfach zu bestäuben, für den Fall dass das Zeitfenster, in dem Pollen angenommen wird, relativ kurz ist. So lassen sich unter Umständen zuvor sicher geglaubte Kompatibilitätsbarrieren geschickt umgehen.

    Zitat von Pieks

    - wieviel Pollen(körner) sind für eine Befruchtung nötig und ist zusätzlicher Pollen von Nutzen für die Samenkornanzahl?

    Einzelne Körner werden für die Befruchtung sicher nicht ausreichen, ich denke das versteht sich von selbst. Es muss schon eine minimale Anzahl im geschätzten Bereich von 40 - 60 Pollenkörnern erfüllt sein, damit die Reizschwelle überschritten wird. Nach der Auskeimung der Pollen bilden sich (das sollte den meisten von uns bekannt sein) sogenannte Pollenschläuche durch den Griffel. Das Ganze könnte man sich als Wettrennen vorstellen, bei dem der/die schnellste(n) Pollenschläuche die Samenanlagen und die dort befindlichen Eizellen befruchten. Es kommt hierbei zu einer kaskadenartigen Situation, die Annahme, dass ein Pollenkorn genau eine Samenanlage befruchtet trifft nicht zu. Mehr Pollenkörner erhöhen wie erwähnt lediglich die Wahrscheinlichkeit, dass die Fruchtbildung inkl. artspezifisch festgelegter ungefährer Samenanzahl zustande kommt.

    Beste Grüße,

    Sami


    "Kakteen lehren dich, Ehrfurcht vor der Natur zu haben und ein Meister der Geduld zu werden." Avatar: RL.2005.0031.WZ.001 ( = Wörlitz x Cantora Gelb )

    Einmal editiert, zuletzt von Sami ()

  • Speaking about pollen and pollination: I’ve had the idea that pollen taken from different parts of the flower may carry different characteristics/traits on the outcome.


    Nature seems to place a challenge inside everything in nature. ”When everything is possible, nothing is longer possible”.


    So according to this above, as an example: pollen taken from deep down from the inside of the tube of a flower may produce flowers with an even more narrow tube!?


    I know this is speculation and will be next to impossible to claim something like this scientifically, but I find it an interesting subject! This idea is more of a philosophical character though.


    LG Morgan

  • Zitat von morgan

    So according to this above, as an example: pollen taken from deep down from the inside of the tube of a flower may produce flowers with an even more narrow tube!?

    It's still the same flower. It doesn't matter if the pollen is taken from anthers further inside the tube or from a marginal segment on the flower edge. The genetic information carried by the pollen grains is completely identical.


    But whether it makes a difference if you take pollen from a somewhat smaller Trichocereus flower with a diameter of 14 cm and from a larger one, let's say 17 cm. Now it would be unlikely that it would diverge like that in reality. It's just a thought. Which flower size would be more dominant, or does that have no influence since it's from the same plant? Would be worth considering. ;)

    Beste Grüße,

    Sami


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  • Ich versuch's mal halbwegs sachlich:

    ...Einzelne Körner werden für die Befruchtung sicher nicht ausreichen...

    Sicher? Ich weiß nicht. Natürlich sind wir nicht bei Nüssen oder Steinobst, sondern bei Kakteen, das ist mir bewusst. Aber wenn es so sicher ist, lässt es sicher mit mehr als nur einer Behauptung verifizieren.

    ...ich denke das versteht sich von selbst...

    Das ist sauber angekommen, tut es aber nicht. Wenn dem so wäre, hätten nicht verschiedene Züchter auch schon Früchte gehabt, in denen sich wenige oder gar nur ein Samenkorn befanden, mag die Keimfähigkeit im Augenblick mal nicht vorrangig sein. Für diese sehr geringe Anzahl wird es Gründe geben müssen. Eine minimale Pollenkornanzahl bzw. ein einzelnes Pollenkorn scheidet für mich dabei nach wie vor (noch?) nicht aus - ein Pollenkorn ist bereits eine kleine, männliche Pflanze (nein, leider kein Kaktusbubi!) und kein Spermium.

    ...Es muss schon eine minimale Anzahl im geschätzten Bereich von 40 - 60 Pollenkörnern erfüllt sein...

    Findest Du den Widerspruch? Es muss geschätzt sein? Es muss mindestens ein Korn sein. Auch wenn sich das mit der Reizschwelle plausibel / sinnvoll anhört, damit z.B. das Auskeimen der Pollen auch nur die Fittesten hinbekommen, finde ich auf die Schnelle im Netz nichts, das Aufschluss über die Reizschwelle geben könnte (außer für Allergiker;)). Jedoch wäre es wohl eher sinnlos, wenn der Schwellenwert bei Sonnenblumen und Avocados gleich wäre. Momentan obsiegt noch meine Faulheit und die Hoffnung, nicht doch noch die Kiste mit den Botanikskripten vom Dachboden holen zu müssen...

    ...das sollte den meisten von uns bekannt sein...

    Genau! Alle anderen werden aus dem Forum und gleich auch noch aus der AG ausgeschlossen. Oder dürfen einfach fragen. :cwm12:

    ...die Annahme, dass ein Pollenkorn genau eine Samenanlage befruchtet trifft nicht zu...

    Sicher nicht, sagt ja auch niemand, doch es sorgt für die Befruchtung von genau einer Eizelle (mal das ganze Drumherum wie z.B. Endospermbildung weglassend...). Was und wie letztlich in welchen Samenanlagen daraus entsteht ist vor allem artabhängig. Wenigstens ist die Samenanzahl (immer??) durch den Fruchtknoten begrenzt - es legt ja wohl niemand Wert auf kürbisgroße Erdbeeren, die man vor Milliarden kleiner grüner Nüsschen nicht mehr essen kann?


    Aber wieviel Körner es nun - woran erkennbar - braucht, wissen mer jetzt trotzdem noch nich.


    P.S. Wieviel Samenanlagen haben eigentlich Kakteen - ist das in der Großgattung Echinopsis einheitlich? Und somit bei erfolgreichen gattungsübergreifenden Kreuzungen ähnlich? Oder worin bestehen ansonsten die Kompatibilitätsbarrieren im Einzelnen?


    Allen einen angenehmen Abend! :cwm53:

  • Even though the same genetic material is shared through the pollen, there is sort of a ”tombola” in work, all pollen grains doesn’t produce identical flowers.


    That ”tombola” function may be related to locality of the pollen grains.


    interesting thought if individual flowers also affect this (like size, as you mention Sami). I had spontanous mutations, or ”freak flowers” ocassionally (e g a yellow flower on a normally dark orange flowering hybrid) and I’ve saved pollen from that freak flower to test this. It is a difficult and time consuming task to make any conclusions from this though.


    LG

    Morgan

  • Moin Tim,

    Zitat von Pieks

    Oder dürfen einfach fragen. :cwm12:

    Immer doch! Wäre ja besorgniserregend, wenn dem nicht so wär'. Siehste, bei den heutigen nachmittaglichen Wüstentemperaturen umfangreichere Beiträge schreiben kann nur schief gehen. ^^ Insofern besten Dank für Deine weiterführenden und wichtigen Gedanken zu dem Thema. Auch wenn sich mir Dein Einstiegssatz nicht so recht erschließen mag - Sachlichkeit ist fraglos Grundvoraussetzung einer gesunden Diskussionskultur, nicht wahr? :*


    Zum Thema, wie viele Pollenkörner es braucht und eine BF auszulösen: ich meine, in einem Paper einen Wert von 40 - 60 Körnern als "Minimum" gelesen zu haben, bei einem Vertreter der Asteraceae. Dazu schrieben die Autoren, dass es zumindest einen zünftigen Schwall Pollen bräuchte. Zu meiner Schande finde ich jenes Paper gerade nicht mehr... typisches Studi-Chaos, eben... Zu unserer Dornengewächsfamilie gibt es leider allgemein eher wenig verfügbares Material konkret zum Thema Stigmen/-Pollenmorphologie und Befruchtungsmechanismen. Man findet schon ein paar Sachen, aber da ist in meinen Augen noch viel Luft nach oben.

    Zitat von Pieks

    ein Pollenkorn ist bereits eine kleine, männliche Pflanze (nein, leider kein Kaktusbubi!) und kein Spermium.

    Richtisch. Der Vergleich mit dem "Wettrennen" (von Spermien) meinerseits hinkt, da man das natürlich nicht auf die Botanik 1:1 übertragen kann. Es ging mir nur darum, zu zeigen, dass in puncto Pollenschläuche durchaus Analogien zu den unseren männlichen Gameten bestehen. ;)

    Zitat von Pieks

    Momentan obsiegt noch meine Faulheit und die Hoffnung, nicht doch noch die Kiste mit den Botanikskripten vom Dachboden holen zu müssen...

    Nur zu! Meine Botanikskripte habe ich soeben durch und schlauer bin ich nicht geworden. 8o

    Zitat von Pieks

    Wenigstens ist die Samenanzahl (immer??) durch den Fruchtknoten begrenzt

    Auch wieder etwas, worüber man wunderbar philosophieren könnte. Immer? Nee, dit glob ick nich. Da gibt's noch Gene undso, Sterilitätsmechanismen, Inkompatibilitäten und haste nich jesehen.

    Zitat von Pieks

    Oder worin bestehen ansonsten die Kompatibilitätsbarrieren im Einzelnen?

    Ähnliche Fragen hatte ich schon hier in den Raum gestellt, aber da bestand scheinbar wenig Gesprächslust: Eure Gedanken zur ...


    Meine Hoffnung wäre nach wie vor, dass wir mal unterschiedliche Erfahrungen zur Kompatibilität ("Kreuzbarkeit" für alle Nicht-Bio-Freaks) der unterschiedlichen Gattungen als auch Sonderfällen bzgl. Inkompatibilität zusammentragen könnten, denn in all den vielen Jahrzehnten Kakteenkultur samt Erfolge und Misserfolge schlummern hier an jeder Ecke saumäßig wertvolle, ECHTE Praxiserfahrungen.


    Euch ebenso einen feinen Abend und gedrückte Daumen für ein paar Regentröpchen! :thumbup:

    Beste Grüße,

    Sami


    "Kakteen lehren dich, Ehrfurcht vor der Natur zu haben und ein Meister der Geduld zu werden." Avatar: RL.2005.0031.WZ.001 ( = Wörlitz x Cantora Gelb )