Indol-3-Essigsäure versus Naphthyl-1-Essigsäure versus Indol-3-Buttersäure + diverse weitere Varianten im Vergleich am Beispiel von Jusbertii und Trichocereus

  • Vor vielen, vielen Jahren... als man das Zeugs noch ohne Probleme bekommen hat, habe ich mit dem Chemiker meines Vertrauens mal einen Versuch gestartet.....


    Habe heute beim Aufräumen das Video gefunden und gleich mal hochgeladen. Ich glaube, dass ich das so bisher noch nie vorgestellt habe.




    Die Bewertung seht ihr in diesem Video: https://youtu.be/bQoiwJuGVmw



    Die Auflösung der Chargen gibt es hier:


  • Hallo Bernhard,


    teils sehr interessante Ergebnisse, Danke für's Teilen! :thumbup:


    Ich versuche mich mal an einer kleinen Auswertung:

    Da viele der experimentell eingesetzten Wirkstoffe auch tatsächlich als Phytohormone in Pflanzen vorkommen und analog zum Auxin einen beträchtlichen Einfluss auf Zellteilung & -differenzierung haben und damit jegliche Wachstums- bzw. Entwicklungsprozesse steuern, ist soweit bekannt. Parameter die hier variiert wurden, sind hier neben dem jeweiligen Wirkstoff, die Konzentration dieser, die Form der Auftragung (Pulver, Gel etc.) und in einem Fall das Alter der Substanzen.


    Schaut man nun auf die Qualität der Bewurzelung, ergeben sich gute bis sehr gute Resultate bei den Nummern 2, 3, 7, 8, 9, 10, 11 und 12. Von den genannten 8 positiven Proben war bei 6 Proben die Naphthyl-1-Essigsäure beteiligt und bei den anderen beiden Proben die Indol-3-Buttersäure (= Indolyl-Buttersäure), jeweils mit abweichenden Konzentrationen. Ein meines Erachtens doch recht signifikanter Unterschied ergibt sich beispielsweise bei den Proben 2 und 5, das wäre im ersten Fall die 0,2%ige und im zweiten die 0,4%igeNaphthyl-1-Essigsäure, beides in Pulverform (wichtig zu beachten). Hierbei finde ich bemerkenswert, dass die insgesamte Wurzelbildung als auch das Längenwachstum des Wurzelwerks bei der 0,2%igen Naphthyl-1-essigsäure besser ausfällt als bei der doppelt so hoch konzentrierten. Widerspricht also dem von vielen angenommenen Grundsatz "viel hilft viel" ! Ebenso sehr gute, wenn nicht sogar die besten Bewurzelungsresulate können bei den Gel-behandelten Proben festgestellt werden, wobei sich zwischen den Proben in der Qualität der Bewurzelung kaum signifikante Unterschiede ergeben. Bei Probe Nr. 8, also der im Experiment am höchsten konzentrierten Naphthyl-1-Essigsäure (0,6%ig), konnten an einigen Pflanzen schwarz-bräunliche Verfärbungen im Schnittstellenbereich beobachtet werden. Das könnte auf eine mögliche Gewebeschädigung mit Fäulnisfolge hindeuten.


    Mäßige bis schlechte Bewurzelungsresultate sind insbesondere bei den Proben 4, 6, 13 und 14 zu sehen. Das bestätigt bei Letzterer einerseits die sogenannte Negativkontrolle an Luft, also ohne "Treatment" und spricht erstmal für einen vorhandenen Effekt der genutzen Wirkstoffe. Nr. 13 als gemixter Salweidensaft war vermutlich ein viel zu komplexes organisches Medium mit etlichen zellulären Komponenten, als dass hier der Effekt einer bestimmten Variable erkennbar wäre oder sogar unterdrückt wird. Nr. 6 (Indol-3-essigsäure) - nicht zu verwechseln mit Indol-3-buttersäure bzw. Indolylbuttersäure (!) - hatte nur einen marginalen Effekt auf die Wurzelstimulation, was für mich ziemlich überraschend daherkommt, da sie eigentlich als guter Wurzelinduktor bekannt ist und auch das Wachstum im Primärmeristembereich steuert. Nr. 4, Talkum ohne Wirkstoff, so wie ich das verstehe chemisch also reines Magnesiumsilikathydrat, hat ebenfalls einen relativ mäßigen Effekt, die beiden oberen Trichos lassen sich davon schon mal gar nicht beeindrucken. ;) Talkum an sich ist auch nicht als Phytohormon bekannt, sondern hätte lediglich einen schnittstellenverschließenden und antiseptischen Effekt ähnlich wie Holzkohle, Zimt, Aluminiumpuder oder ähnliches.


    Ergänzungen oder andere Sichtweisen zur Ergebnisinterpretation sind willkommen. Ansonsten hoffe ich, dass ihr mit meinen Ausführungen etwas anfangen kommt. Habe im Laufe meines Bio/Chemie-Studiums schon recht häufig mit Analysen wissenschaftlicher Publikationen (Paper) zutun gehabt und insofern geht das mittlerweile vergleichweise zügig. Aber vier oder mehr Augen sehen bekanntlich besser als zwei ... ;)


    Schönes Wochenende und immer neugierig bleiben!

    Beste Grüße,

    Sami


    "Kakteen lehren dich, Ehrfurcht vor der Natur zu haben und ein Meister der Geduld zu werden." Avatar: RL.2005.0031.WZ.001 ( = Wörlitz x Cantora Gelb )

  • Talkum an sich ist auch nicht als Phytohormon bekannt...

    Rischtisch. Wird aber häufig, vermutlich aus den angeführten wundversorgenden Eigenschaften, als Trägermedium sowohl für puderförmige kommerzielle Bewurzelungspräparate als auch für selbstgebastelte Bewurzelungsrezepturen verwendet. Um die mögliche Einflussnahme einer solchen Komponente ("ist ja bloß Talkum") auszuschließen, ist so ein Blindversuch, ebenso wie Luft, durchaus einleuchtend.


    Was mir nicht spontan in den Kopf wollte: warum rockts mit altem Sangral besser als mit frischem? Ist es wieder mal der, unter anderem von Michi erwähnte Effekt, dass eine zu hohe Konzentration eher kontrapoduktiv ist? Immerhin gab es bereits Beobachtungen, dass zu lange (und vor allem zu warm) gelagerte Bewurzlungspräparate ihre Wirksamkeit eingebüßt haben.


    Alt, Bernhard? Noch das von 2016? Oder noch davor? Auch wenn man es immer wieder mal (zu sittenwidrigen Preisen) zu kaufen bekommt: ist das wirklich aus neuer Produktion oder nur geschäftsträchtig gelagerter Vorrat?


    Neu-gierige Grüße,

    Tim

    :cool:

  • Dass eine zu hohe Konzentration eher das Gegenteil bewirkt hatte ich schon irgendwo gelesen. Was ich von dem Versuch so spannend finde, ist dass Gel eine gleichmäßigere Wirkung zu haben scheint. Ich habe noch nie damit gearbeitet. Ist das dasselbe Clonex, dass man jetzt auch noch zu kaufen bekommt? Wie hast du das aufgetragen? Eine dünne Schicht direkt nach dem Schneiden?

  • Ich versuche mich mal an einer kleinen Auswertung:

    [...]

    Bei Probe Nr. 8, also der im Experiment am höchsten konzentrierten Naphthyl-1-Essigsäure (0,6%ig), konnten an einigen Pflanzen schwarz-bräunliche Verfärbungen im Schnittstellenbereich beobachtet werden. Das könnte auf eine mögliche Gewebeschädigung mit Fäulnisfolge hindeuten.


    Danke für die tolle Zusammenfassung!!! Und ja, das mit der Nr. 8 sehe ich genauso: das war zu viel!


    Zu der Geschichte mit den Salweiden: habe das irgendwo gelesen, dass Weidenwasser eine fördernde Wirkung haben soll für die Wurzelbildung. Konnte aber nichts sinnvolles finden wie man das zubereitet und habe daher einfach Weidenäste genommen und diese mit etwas Wasser durch den Mixer gejagt....


    Hi Tim, das mit dem alten/neuen Sangral: also ich finde den Unterschied bei den Ergebnissen nicht wirklich signifikant. Was ich außerdem gestehen muss: ich kann dir gar nicht genau sagen ob das Zeugs tatsächlich zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt produziert wurde. Der Abstand zwischen dem Kauf der beiden Dosen war meines Wissens 2 Jahre. Was die Haltbarkeit von Sangral betrifft, kann ich hiermit jedoch bestätigen, dass bei Lagerung im Zimmer eine Wirkung auch nach mindestens 7 Jahren noch zu sehen ist.


    Dass eine zu hohe Konzentration eher das Gegenteil bewirkt hatte ich schon irgendwo gelesen. Was ich von dem Versuch so spannend finde, ist dass Gel eine gleichmäßigere Wirkung zu haben scheint. Ich habe noch nie damit gearbeitet. Ist das dasselbe Clonex, dass man jetzt auch noch zu kaufen bekommt? Wie hast du das aufgetragen? Eine dünne Schicht direkt nach dem Schneiden?

    Hi Katja, ja es gibt Unterschiede zwischen Gel und Pulver. Meine Erfahrung ist, dass gerade bei älteren schon etwas angetrockneten Schnitten das Gel noch eine Wirkung zeigen kann. Ich vermute mal, dass das Clonex, was man heute so kaufen kann noch das Gleiche ist wie damals. Warum ich das in der Praxis nicht verwendet habe:

    1. Die Kosten sind deutlich höher, da man einen höheren Verbrauch pro Schnittfläche hat.

    2. Das Auftragen dauert länger: man muss die Schnittflächen abtupfen/trockenen und dann das Gel z.B. mit einem Stecketicket auftragen.

    3. Die Qualität des Produkts lässt nach einigen Monaten nach - ggf. kann man das durch Lagerung im Kühlschrank rauszögern.

    4. Es passiert wohl häufig, dass man beim Kaufen ein Produkt bekommt, was schon fast abgelaufen ist.

  • Danke. Also für größere Mengen an zu bewurzelnde Kakteen ist das dann eher nicht geeignet, weil zu teuer. Und bei nur gelegentlicher Nutzung ist das auch eher ungünstig, weil es nicht lange hält. Ich denke ich werde das trotzdem mal ausprobieren. Mein Bewurzelungspulver ist nicht immer so perfekt. Es funktioniert zwar meist ok, aber es passiert da auch schon mal nix mit Wurzeln. In deinem Video sag das Ergebnis mit den Gels am gleichmäßigsten aus.

    Das mit den Weidenzweigen habe ich auch schon mal gelesen - zum Bewurzeln von Ablegern von Bäumen und so. Da stand in der Anleitung, dass man die Rinde von dünnen (<1cm) Zweigen schälen und klein schneiden soll und dann mit kochendem Wasser übergießen, dass sie gerade bedeckt sind, und mehrere Stunden ziehen lassen soll. Dann die frisch geschnittenen Ableger für mindestens 24h in dem abgekühlten Wasser stehen lassen.
    Ich hatte das mal mit Mini-Kiwi Ästen probiert, konnte aber nichts bahnbrechendes feststellen.

  • mega intressant! Ich kämpfe ja nach wie vor- teilweise mit ernüchternden Ergebnissen bei der Bewurzlung besonder von Tricho-Stecklingen- egal ob groß oder klein. Ich habe nur noch Rhizopon 0,5% Buttersäure- Ein nicht zu vernachlässigender Teil macht überhaupt keine Wurzeln- egal wie lange man sie im Topf lässt. Naphtylessigsäure wäre wohl potentiell besser- aber da gibts scheinbar nix mehr. Bedeutet- in den sauren Apfel beißen und russisches Roulett auf Kosten kostbaren Vermehrungsmaterials- oder Vermehrung einstellen. Immer schade um die viele Arbeit und die vergeudeten Stecklinge....wer einen Tipp hat- nehme jeden Ratschlag gerne an. Hatte auch mal Tests gemacht damals mit - so sahen früher alle Stecklinge bei mir aus;

    Avatarbild zeigt die "geilste" Selektion aus der Kreuzung L.ferox x pampana bei den Hofers die "Feuergöttin Chensit" :cwm69: (Bild stammt von Manfred aus Dessau)

  • hier noch ein gutes Beispiel für die rel. Unzuverlässigkeit von Rhizopon AA05%- Vergleich Bewurzlung selber Sorte Hildewintera Hyb., ältere Stecklinge nach 5 Wochen. Beim 2. kann sein, dass plötzlich durchbricht- kann aber auch sein, dass komplett abkapselt und gar keine Wurzeln kommen, evtl. Notwurzeln an den Randareolen, gibt aber keine stabilen, wüchsigen Pflanzen mehr



    Avatarbild zeigt die "geilste" Selektion aus der Kreuzung L.ferox x pampana bei den Hofers die "Feuergöttin Chensit" :cwm69: (Bild stammt von Manfred aus Dessau)

  • Hy!

    Kleine Anmerkung vom Berufsgärtner und generellen Weidenspezi und -freak: Salweiden (Salix caprea) sind die schlechtesten Weiden, die man für Weidenwasser zur Bewurzelungshilfe nehmen kann!
    Weil das ausgerechnet die eine Weidenart ist, die quasi niemals funktioniert, wenn man sie wie fast beliebige andere Weidenarten einfach in irgendein Glas mit Wasser stellt. Und auch aus Steckhölzern quasi nicht wurzelt.

    Bei weitem besser sind die ebenfalls häufigen vor allem Korbweiden (Salix viminalis) und Korkenzieherweiden (Salix matsudana 'Tortuosa'). Vor allem letztere kriegen bereits in permanent feuchter Luft am gepflanzten Gehölz Wurzeln, wenn zB lange Vegetation den Stammfuss dauerhaft beschattet und für dauerfeuchtes Mikroklima dort sorgt.

    Das ganze durch den Mixer zu schroten muss dabei nicht sein, und wäre auch eher ungut, da ja, Prinzip Hackfleisch, eine Masse umso schneller verdirbt, je feiner sie zerteilt ist (viel größere Oberfläche für Bakterien und Co. zum ansetzen). Man schneidet die Triebe einfach in so zwei cm lange Stücke, lässt das ganze 24 Stunden in Wasser ziehen (Zimmertemperatur passt), gießt dann ab und verwendet das Wasser.
    Ich habe es auf die Art erstmals erfolgreich geschafft, eine Weidenhybride mit einem Drittel caprea- Blut zu bewurzeln, die von eben jener die Eigenschaft geerbt hatte, freiwillig nicht zu wurzeln. Das Weidenwasser wird dabei den viminalis und udensis- Teil angeregt haben, doch Wurzeln zu schicken, welche beiden Arten (letzere als Drachenweide in Ostersträußen bekannt) für sich gut wurzeln.


    Grüße,
    Andreas

  • Danke für den Hinweis mit der Weidenart: das könnte ein neuer Ansatz für einen neuen Test sein.
    Bin übrigens auch gelernter Baumschulgärtner - ist allerdings auch schon wieder einige Zeit her, dass ich in diesem Beruf gearbeitet habe und unsere Schwerpunkte damals waren eher Rosen und Obst. Von daher: diese unterschiedlichen Verhalten bei der Bewurzelung der Verschiedenen Weidenarten war mir nicht bekannt.