Gymnocalycium uruguayense Sämlinge

  • Hallo zusammen,


    mir ist vorhin mal wieder etwas spannendes aufgefallen.
    Bei meinen Aussaaten habe ich neben meinen beiden Gymno Kreuzungen auch noch einige Gymno Arten dabei und bei uruguayense sind zu meinem Erstaunen die Sämlinge tatsächlich mehrheitlich drei-keimblättrig.


    Ist sowas schon mal jemandem aufgefallen? Ist das bei uruguayense immer so? Gibt es noch weitere Gymno Arten, bei denen das auch so ist?


    Ich habe ja noch weitere Arten ausgesät, aber es sind da entweder mehrheitlich zweikeimblättrige Sämlinge- oder sie sind so klein, dass ich mir bei denen nicht sicher bin.


    Viele Grüße,

    Katja

  • Seh' ich ähnlich, wenn es auch nicht direkt vergleichbar ist. Es gibt immer wieder einmal botanische Abweichungen, aus denen man schwerlich gleich Gesetzmäßigkeiten ableiten kann. Siehe die "Zweihörnigkeit" bei einigen L. hallii-Kultivaren... Manchmal bleiben einfach irgendwelche Rudimente früherer Entwicklungsstufen für einen gewissen Zeitraum in Erscheinung und verschwinden dann einfach genauso sang- und klanglos, wie sie aufgetreten sind. Ich erinnere mich da an einen "Aufschrei" des Erstaunens, als plötzlich außergewöhnlich viele ACM-Sämlinge vierkeimblättrig waren - hat da jemals jemand wieder etwas von gehört? *grübel* Whatever, in jedem Fall ein nett zu beobachtendes Phänomen - vor Alm danke fürs Zeigen!


    Liebe Grüße,

    Tim

    :cool:

  • Es geht mir mit der Frage weniger darum, ob man das später an den Pflanzen noch erkennen kann - wahrscheinlich eher nicht. Es weckt nur mein (mehr oder weniger wissenschaftliches) Interesse.


    Was ist ACM?


    Der Grund warum ich das hier zeige ist eigentlich nicht, weil ich das für spannend halte, dass hier einige Sämlinge dreikeimblättrig sind, sondern dass von 8 Sämlingen 7 drei dreikeimblättrig und einer vierkeimblättrig ist.


    Wenn ich - ausgehend von allen anderen Kakteen (Arten und Hybriden), die ich bisher ausgesät habe - annehme, dass zweikeimblättrig die Norm ist und (eher hochgegriffen) 10% dreikeimblättrig sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit bei 8 Sämlingen keinen zweikeimblättrigen dabei zu haben 1:100.000.000

    Damit halte ich obige Annahme für Gymnocalycium uruguayensis für (empirisch) widerlegt. Die Schlussfolgerung hieraus wäre dann, dass bei dieser Art dreikeimblättrig die Norm ist.
    Das ist dann schon ungewöhnlich

    und da frage ich mich dann halt: Hat jemand das schon mal bei anderen Arten beobachtet oder gibt es eine andere (möglicherweise genetische?) Erklärung für diese Abweichung?


    Rätselnde Grüße,

    Katja

  • Hallo Katja,


    das sind wirklich spannende Beobachtungen, die Du da gemacht hast. Und ja, ich dachte bis jetzt auch immer, zweikeimblättrig wäre bei Kakteen die Norm und alles höher-keimblättrige kann als "Ausreißer-Mutation" betrachtet werden.


    G. uruguayense habe ich zwar noch nie ausgesät, dafür eine ganze Reihe anderer Arten und die waren fast alle normal zweikeimblättrig. Wenn einer dreikeimblättrig gewesen wäre, wäre mir das sicher aufgefallen.


    Nun stellt sich natürlich die Frage zu den "Randbedingungen" Deiner Aussaat. Hast Du die Samen gebeizt oder stratifiziert? Wenn ja, mit welchen Stoffen? Was für eine Aussaatlampe benutzt Du? Ich las, Du bist beruflich im physikalischen Bereich unterwegs - wo haben die Samen vor der Aussaat gelagert, gerieten sie vielleicht sogar in Kontakt zu radioaktiver Strahlung oder anderen Strahlungsarten?


    Ich weiß, klingt alles ziemlich abgefahren, aber um genau vorzugehen, muss man ja vorher sämtliche Mutagene ausschließen. Deine Quote an dreikeimblättrigen Sämlingen halte ich schon für höchst ungewöhnlich.

    Beste Grüße,

    Sami


    "Kakteen lehren dich, Ehrfurcht vor der Natur zu haben und ein Meister der Geduld zu werden." Avatar: RL.2005.0031.WZ.001 ( = Wörlitz x Cantora Gelb )

  • Das mehr als zwei Keimblätter ausgebildet werden konnte ich bisher in Aussaten von Ariocarpus, Mammillaria, Escobaria, Ferocactus, Lophohora, Lobivia, Echinopsis u.a. schon seit 35 Jahren immer wieder beobachtet.

    Gruß


    Konrad


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    Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.

    Würde der Städter kennen, was er frisst, er würde umgehend Bauer werden.


    Oliver Hassencamp

    (Dt. Kabarettist und Schauspieler, 1921 - 1988)

  • Danke für den Link, Tim. Ich melde mich da nachher mal an und schaue mal rein.


    Irgendwelche Umwelteinflüsse würde ich einfach mal ausschließen wollen. Alle anderen Sämlinge von nicht ganz wenigen Arten/Kreuzungen entsprechen ja völlig der Erwartung und sind zweikeimblättrig (zumindest zu jeweils mehr als 95%). Mutationen aufgrund Umwelteinflüssen sind vom Prinzip her auch nicht zielgerichtet und erzeugen kein homogenes Bild.

    Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass die Eltern dieser Samen diesbezüglich eine Mutation oder Veranlagung haben und sich das auf die nächste Generation (diese Aussaat) auswirkt - die Samen sind gekauft. Deswegen die Frage, ob jemand das bei dieser oder anderen Arten schon mal beobachtet hat.


    Radioaktive Strahlung würde sich im Übrigen nicht auf jeden Sämling identisch auswirken. Es ist ja nicht so, dass dabei immer exakt dieselbe Wirkung auf exakt dasselbe Gen entsteht. (Und ich hoffe, du denkst nicht, dass die Samen mit radioaktiver Strahlung in Kontakt gekommen sein könnten, weil ich Physikerin bin - ich arbeite derzeit ausschließlich mit Finanz-Zahlen).


    Viele Grüße,

    Katja

  • Das mehr als zwei Keimblätter ausgebildet werden konnte ich bisher in Aussaten von Ariocarpus, Mammillaria, Escobaria, Ferocactus, Lophohora, Lobivia, Echinopsis u.a. schon seit 35 Jahren immer wieder beobachtet.

    Ich beobachte auch immer wieder mal welche, die Frage ist: Waren das nur vereinzelte dreikeimblättrige Sämlinge (Anteil unter 5% von der Aussaat) oder waren da praktisch nur dreikeimblättrige? Und wenn letzteres: Welche Arten waren das genau?

  • Zitat von Katja

    (Und ich hoffe, du denkst nicht, dass die Samen mit radioaktiver Strahlung in Kontakt gekommen sein könnten, weil ich Physikerin bin - ich arbeite derzeit ausschließlich mit Finanz-Zahlen).

    ^^^^ Verzeih mir, in diese Richtung hatte ich fast schon gedacht. Ist mir schon klar, dass ihr Physiker nicht alle verstrahlt seid (komme aus der Biologie). ;)


    Zitat von Katja

    Radioaktive Strahlung würde sich im Übrigen nicht auf jeden Sämling identisch auswirken. Es ist ja nicht so, dass dabei immer exakt dieselbe Wirkung auf exakt dasselbe Gen entsteht.

    Das stimmt natürlich, an welchem Abschnitt der DNA die r. S. angreift können wir nicht vorhersagen. Viel mehr sind es die irreparablen Schäden wie Doppelstrangbrüche, die von den zellinternen enzymatischen Reparaturmechanismen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. An die Nachkommenschaft werden sie nur dann weitergegeben, wenn die Mutationen die Gameten betreffen. Das setzt aber voraus, dass die Mutation schon in der Parentalgeneration stattgefunden hat und das veränderte Gen, dass für die Kotyledonenstruktur codiert, sich bei der Samenanlage in der "Mutter"pflanze bereits auswirkt.


    Meine Vermutung im Hinblick auf die Umwelteinflüsse rührte daher, dass es durchaus Vererbungssituationen gibt, wobei sich Mutationen im Genotyp de facto durchweg im Phänotyp repräsentieren. Man spricht dann auch von vollständiger Penetranz. Allerdings erachte ich es als sehr unwahrscheinlich, dass bei allen angelegten Embryonen in den Samen die Mutation genau in dem gleichen Gen stattgefunden hat, da Umwelteinflüsse nicht so extremst zielgerichtet den Mutationslocus bestimmen. Da müsste man schon eine Art Präzisions-Schere einsetzen (im Labor nutzen wir meistens Restriktionsenzyme dafür), die sequenzspezifisch schneiden und wiederum DNA-Ligasen, die klonierte Abschnitte in DNA einfügen und so Mutationen synthetisch induziert werden können. Das ginge für ein- und dasselbe Gen hervorragend und wir könnten so Massen von Dreikeimblättrigen in die Welt setzen. Wie die Natur das bewerkstelligen soll? Tja, gute Frage.

    Beste Grüße,

    Sami


    "Kakteen lehren dich, Ehrfurcht vor der Natur zu haben und ein Meister der Geduld zu werden." Avatar: RL.2005.0031.WZ.001 ( = Wörlitz x Cantora Gelb )

  • Spannend. Ich muss gestehen, dass ich leider über Genetik wohl noch nicht genug weiß... aber du bestätigst meine Gedankengänge mit den entsprechenden wissenschaftlichen Begriffen.

    Ich werde mal schauen, ob ich von der Gymnocalycium uruguayense noch aus einer anderen Quelle Samen bekomme und dann sehen wir ja, ob die auch alle dreikeimblättrig sind.

  • Die weitere Entwicklung der Sämlinge erfolgt danach aber immer ganz normal wie bei allen anderen auch.

    Gruß


    Konrad


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    Oliver Hassencamp

    (Dt. Kabarettist und Schauspieler, 1921 - 1988)

  • sämlimge beobachten macht einfach Spass mache ich auch immer. Dafür ist es ja unser Hobby. Ich stehe voll auf solche Freaks. Aber die wachsen wirklich wieder normal aus. Warum das so ist kann ich dir nicht sagen evtl besonders starker sämling?

    Heinz

  • Hallo zusammen,


    nach dem Schock der letzten Tage und dem Zusammenpacken von Sachen für Hilfslieferungen habe ich heute dann doch mal wieder nach den Sämlingen gesehen.

    Hier eines der neuen Töpfchen:


    Das derzeitige Zwischenergebnis von allen bei mir bisher gekeimten Gymno. uruguayense Samen ist:

    Zwei Keimblätter: 2

    Drei Keimblätter: 16

    Vier Keimblätter: 3

    Drei Keimblätter, von denen eines nochmals halb geteilt ist: 1


    Ich würde daher mal sagen: Gymno uruguayense hat hauptsächlich drei Keimblätter.

    Ich habe versucht dazu ein paar Hintergrundinformationen zu finden, bin aber auf nicht so wirklich viele gestoßen. Es gibt wohl selten auch bei anderen Pflanzenfamilien ein paar wenige Arten, die bzgl. der Anzahl der Keimblätter vom Rest abweichen:


    Wikipedia: "Allerdings gibt es sehr selten auch Arten mit mehr als zwei Keimblättern, wie in der Familie der Olacaceae oder bei einigen Arten der Kolabäume in der Familie der Malvengewächse."


    Es gibt zwar immer wieder Berichte über einzelne Kakteensämlinge mit drei Keimblättern, aber das scheinen immer Ausnahmen zu sein. Hinweise darauf, dass schon mal irgendwer festgestellt hat, dass bei einer Art hauptsächlich drei statt der üblichen zwei Keimblätter auftreten konnte ich nirgends finden - was mich tatsächlich sehr erstaunt, weil ja sicher schon viele Kakteenzüchter Gymno uruguayense ausgesät haben müssen. Schaut da niemand drauf oder interessiert das einfach niemandem?

    Zusätzlich interessant finde ich bzgl der bisherigen "Statistik" meiner Aussaaten, dass es doch noch einen nicht zu vernachlässigenden Anteil von zwei und vier Keimblättern zu geben scheint. Ich bin mir nicht sicher wie das zu interpretieren ist, aber meine Vermutung wäre, dass das eventuell eine recht "junge" Art ist, die da noch keine ganz einheitliche Ausprägung gefunden hat...?


    viele Grüße,

    Katja

  • Hallo Katja,


    das ist zwar jetzt schon ein bisschen alt, aber sei es drum...

    Bei den Gymnos machen 3-4 Keimblätter insbesondere die Arten aus der UG Macrosemineum. Ein Freund hat das mal auf einer Gymnotagung in Radebeul vorgestellt.

    Das wären dann: denudatum, horstii, buenekeri etc.


    Viele Grüße

    Mario

  • Hallo Mario,


    Danke für die Antwort.

    Bei den Gymnos machen 3-4 Keimblätter insbesondere die Arten aus der UG Macrosemineum. Ein Freund hat das mal auf einer Gymnotagung in Radebeul vorgestellt.

    Das wären dann: denudatum, horstii, buenekeri etc.

    Das muss ich jetzt wohl erstmal recherchieren - von Macrosemineum habe ich noch nie was gehört. Gibt es dazu irgendwo eine Übersicht? Ich konnte auf Anhieb erstmal nicht so viel finden wie ich vermutet hätte. Vielleicht gibt es von der Gymnotagung von besagtem Freund eine Präsi oder ein pdf um das mal nachzulesen?


    Viele Grüße,

    Katja