Doppeltes Leitbündel?

  • Hallo zusammen,


    Ich pfropfe ja mit Begeisterung kleine Sämlinge und nachdem ich unlängst gelernt habe, dass es da zb bei Cristaten linienförmige Leitbündel gibt, schaue ich mir die Sämlinge (also die abgeschnittenen Unterseiten) jetzt immer an. Dabei ist mir aufgefallen, dass die keineswegs nur ein punktförmiges Leitbündel haben. Heute ist mir bei mehreren Sämlingen derselben Kreuzung aufgefallen, dass sie zwei nah beieinander liegende Leitbündel haben. Wenn es jetzt nur einer gewesen wäre, dann hätte ich das als einzelne Abweichung abgehakt, aber bei mehreren bei nur einer Kreuzung ist das meiner Meinung nach schon mal eine genauere Betrachtung wert.


    Hier mal ein Foto von einem Sämlingsquerschnitt


    Hat das schon mal jemand beobachtet? Gibt es bestimmt Hybriden/botanische Arten mit derartigen doppelten Leitbündeln?


    viele Grüße,

    Katja

  • Die Sämlinge waren gerade so groß, dass sie oben in der Mitte die ersten sichtbaren Dornen hatten - Durchmesser 2-3mm, Gesamtlänge 4-8mm. Würden solche Abzweigungen denn da schon beim Wurzelansatz beginnen? Ich hatte vorhin bei einem nochmal Scheibchen abgeschnittenen um zu schauen wie weit nach unten das so doppelt aussieht. Es sah für mich so aus als würde sich das durch den ganzen Sämling ziehen, wobei ich die oberen Hälften da nicht weiter seziert habe - die sind ja jetzt gepfropft.

  • Ich möchte ebendiese Sämlinge lieber nicht längs aufschneiden - von der Kreuzung gab es nicht viele Samen und es sind auch nicht alle gekeimt.

    Es wurde per PN die Theorie an mich herangetragen, dass das aufgrund der Zweikeimblättrigkeit bei sehr kleinen Sämlingen zu Stande kommen könnte und sich später durch verwachsen der beiden Leitbündel ein einziges rundes bildet. Das klingt erstmal nach einer plausiblen Erklärung. Ich habe darauf hin (zum Test und weil ich immer nach einem Grund zum Pfropfen suche) mal bei einem Sämling mit drei Keimblättern geschaut, aber zumindest bei diesem keinen schlüssigen Beweis (also keine drei Leitbündel) gefunden - was aber nichts heißen muss.


  • Jetzt, wo du das so eingekreist hast und ich dann nochmal im Original Foto reingezoomt habe... ich glaube du hast Recht.

    Das bestätigt die Theorie (und auch, dass ich noch eine bessere Lupe brauche).


    Wenn ich so überlege, dass da ein Leitbündel sehr deutlich und die anderen beiden eher schwach sind: Vielleicht verwachsen die nicht miteinander sondern das stärkste Leitbündel wird es dann eben.

  • Hallo Katja


    dein kleines Lebewesen entstand aus einer einzigen Zelle! Durch Zellteilung fängt dieses Lebewesen an, immer mehr Zellen zu bilden und die neuen Zellen können sukzessive neue Aufgaben übernehmen, d.h. sie fangen an sich zu differenzieren. Wichtige Aufgaben sind Photosynthese und die Bildung von Teilungsgewebe. Aus diesem entsteht einerseits die Wurzeln, anderseits ein oder mehrere Keimblätter und später die Bildung einer Sprossachse. All diese Prozesse sind bereits im Erbgut festgelegt, d.h. sie folgen einem festen Plan und sind bereits im Samenkorn angelegt. Dein Sämling zeigt durch die grüne Farbe an, dass die Photosynthese stattfindet, er hat sicher schon eine kleine Wurzel gebildet, hat zwei rudimentäre Keimblätter (Kotyledonen) zwischen denen sich der Vegetationspunkt befindet, aber Leitbündel im engeren Sinn sind in dieser Phase noch nicht ausgebildet! Wenn du in dieser Phase pfropfst machst du einen Schnitt durch das Hypokotyl, also einen Schnitt unterhalb der Keimblätter! Aus meiner Sicht ist das Hypokotyl der Wurzel zuzurechnen, denn die Leitgefässe sind dementsprechend im Zentrum zu finden und nicht im Randbereich.


    Viele Grüsse Erich

  • Hallo zusammen,


    ich habe jetzt einige Zeit über den Beitrag von Erich nachgedacht und versucht mir dazu ein paar Hintergrundinformationen anzueignen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das so richtig differenziert bekomme ab wann die Definition Leitbündel zutrifft - oder wie die Dreiteilung wissenschaftlich korrekt zu interpretieren ist.


    In der Zwischenzeit habe ich aber nochmal beim Pfropfen ein besseres Foto von einem "Dreier" gemacht - egal wie man das jetzt richtig bezeichnet.


    In der weiteren Entwicklung bleibt diese Dreier-Struktur übrigens oft auch erhalten und ist auch nach dem Erscheinen der ersten Areolen noch gut erkennbar. Ich habe das mal vergleichend fotografiert und darunter mal farblich markiert.



    Alle Sämlinge mit dreier Struktur haben jetzt mal eine Markierung auf die Schildchen, damit ich die später noch mal vergleichen kann.


    viele Grüße,

    Katja

  • Die Sämlinge beginnen in dem Stadium der gezeigten Bilder mit ihrer morphologischen Formbildung. Also einer ersten Anzahl an Rippen und die genetisch zum Pflanzentyp gehörende Anordnung der Areolen. Bei Kakteen ist der Wechselstand der Areolen meistens 3/8 manchmal aber auch 2/5 oder selten in noch anderen Spiralmustern bzw. Spirozeilen angelegt.



    Beispielhaft bedeutet es, dass sich bei 2/5 Anordnung die nächste Areole an der übernächsten Rippe bildet. In diesem Bespiel besteht der Wechsel aus 5 Reihen, die ein schraubenförmiges Muster bilden. Leichter kann man das optisch an den schraubenförmigen Reihen von Mamillarien erkennen, die mit ihren areolentragenden „Warzen“ dem gleichen Anordnungsprinzip von Spirozeilen folgen.


    Es bedeutet, dass bei 2/5 nach der 1. Areole die 6. wieder genau über der 1. steht

    Und die 7. dem Scheitel entspringende Areole steht wieder genau über der 2. usw.

    In dem System können Divergenzbrüche vorkommen, die diese Systematik überspringen oder verlassen. Das erfolgt z. B. wenn sich Rippen neu einschieben und pendelt sich neu ein.


    Wenn Sämlinge in der ersten Wachstumsphase mit einer unterschiedlichen Anzahl an Rippen beginnen, sieht die Areolenverteilung auch optisch anders aus, weil im Pflanzentyp das Spiralmuster festliegt.

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    Die Querschnittbilder von Katja zeigen 3 klar zu sehende stärkere Verbindungen.


    Die Antwort warum manche Sämlinge 3 anstatt 2 solcher Verbindungen zeigen, muss meiner Meinung nach nicht mit der folgenden Anordnung der Areolen in Spirozeilen in Verbindung stehen. Die Pflanzen separat beobachten bringt aber sicher auch dazu Erkenntnisse.

  • Hallo,
    vor wenigen Jahren hat beim Wettbewerb "Jugend forscht" ein Schüler damit gewonnen,
    das er zur Überraschung der Wissenschaftler nachgewiesen hat, das selbst bei allen
    Bäume die Äste in Berührungszeilen (Spiralmuster) angelegt werden.

    Gruß


    Konrad


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    Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.

    Würde der Städter kennen, was er frisst, er würde umgehend Bauer werden.


    Oliver Hassencamp

    (Dt. Kabarettist und Schauspieler, 1921 - 1988)

  • Hallo,


    das mit Spiralmuster beschäftigt mich jetzt wirklich. Ich habe bei mehreren Kakteen versucht diese 2/5 oder 3/8 Anordnung zu erkennen und dachte eigentlich, das wäre nicht so schwierig - aber ich bekomme das nicht hin. Gibt es da irgendwo Abbildungen zu oder kann das eventuell mal jemand auf einem Foto anzeichnen?

    viele Grüße,

    Katja

  • Hallo Konrad,

    die Kakteen haben diese Eigenschaft von den Vorfahren, die blatttragende Pflanzen waren übernommen. Es hat sich evolutionär so entwickelt, weil durch diese Anordnung das vorhandene Sonnenlicht für die Photosynthese optimal aufgenommen werden konnte. Auch wenn Kakteen i. d. R. keine Blattentwicklung mehr ausbilden (Pereskioideae mal ausgenommen), hat sich diese ererbte Morphologie natürlich nicht verändert.

    @ Katja: als ich vor Jahrzehnten begann mich für Kakteen zu interessieren, kaufte ich mir dazu Literatur. Sehr wichtig war mir "Kakteen an ihtren Standorten" von Prof. Werner Rauh. Er hat das da anschaulich beschrieben und das Buch war für mich ein Basiswerk. Daher wusste ich das noch. Ich habe es gerade zur Hand genommen und hänge ein paar Seiten, auf denen er dazu geschrieben hat an.
    Ich habe gesehen, dass in der Wikipedia unter Phyllotaxis ebenfalls etwas dazu zu finden ist. Auch dass sich Pflanzengattungen mit einer gegenständigen Blattanordnung gebildet haben. Sicherlich in Anpassung an unterschiedlichste Gegebenheiten und Anforderungen damit zu überleben.

    Ich hoffe damit wird das Prinzip etwas anschaulicher. Bei unseren Hybriden ist es schwierig zu erkennen, bei bei einigen geht es aber - allerdings ist es im Bild schwierig klar festzuhalten, jedenfalls für mich;).

    Ich sehe gerade den Beitrag. Falls die Fotos nicht gut leserlich sind oder weitere Teststellen dazu gewünscht werden, knipse ich gerne noch mal.

  • Hallo Hans-Jürgen,


    Vielen Dank für die Ausschnitte aus dem Buch, das hat mich dazu bewegt viele Kakteen von oben zu fotografieren und dann Spiralen durch Verbinden der Areolen zu malen - richtig viele.


    Ich kann bei vielen hervorragende Spiralen nach der Beschreibung finden.

    Hier 2/15 rechtsdrehend



    aber auch linksdrehend 2/11


    Dann wird es aber richtig schnell ziemlich merkwürdig. Bei nicht ganz wenigen Kakteen reicht eine Spirale nicht aus um in einem regelmäßigen Muster die Areolen zu verbinden. Und egal wie ich es anstelle, das fertige Bild hat dann zwei Spiralen



    Oder sogar drei Spiralen



    oder keine Spiralen sondern Kreise



    Wie paßt das denn in die Beschreibung aus dem Buch? Die Drehrichtung wird da ja nicht angegeben und die Anzahl der Spiralen auch nicht. Zählt man dann die Anzahl der Areolen und Umdrehungen auf einer Spirale?
    Und wie geht man mit den Kreisen um - die könnte man zwar auch als Spiralen zeichnen, da funktionieren dann aber beide Drehrichtungen gleichermaßen.


    Das ist schon spannend wie viele verschiedene Spiralmuster es bei Kakteen so gibt. Ich muss das mal etwas sortieren.

    Interessant wäre zu wissen, ob das spezifisch für eine bestimmte Hybride ist oder ob verschiedene Muster bei verschiedenen Kindeln gibt.


    Viele Grüße,

    Katja

  • Ich muss mich korrigieren. Für die Drei-Spiraligen Muster gibt es auch ein Muster mit nur einer Spirale. Das sieht zugegebenermaßen ziemlich wild aus, weil sich die geraden Verbindungen zwischen den Areolen kreuzen. Es macht aber so tatsächlich mehr Sinn als die drei Spiralen. Ich habe immer nach zwei Linien die Farbe gewechselt, damit das nicht nur wie Gekritzel aussieht.




    Bitte sagt mir Bescheid falls ich hier völlig verwirrtes Zeug schreibe, das niemanden interessiert. So Muster ziehen mich magisch an und ich kann unendlich viel Zeit damit verbringen...

  • Nachtrag: Bei den zweier Spiralen geht das auch wenn man abwechselnd zwischen den aufgezeichneten Spiralen hin und her springt. Aufmalen sieht da in jedem Fall wie Gekritzel aus, aber bei den beiden obigen Beispielen kommt dann (wenn ich mich beim Kritzeln nicht verzählt habe) eine 4/11 und eine 6/13 Spirale dabei heraus.


    Das ist wie Puzzeln. 😁 Macht wirklich süchtig.

  • Hallo Katja,
    toll, du engagierst dich in dem Thema ja richtig! :);)
    Die Idee mit 2 Spiralen kannst du verwerfen. Das System nach dem die Pflanze wächst, kann differenziert sein. Es liegt aber fest, wo sich im Scheitel nach einer entstandenen Areole die nächste bilden wird. 2/5 und 3/8 wurden genannt wobei 3/8 bei Kakteen häufiger vorkommt. Das heißt, es können immer eine, zwei oder mehr Rippen übersprungen werden zu dem Punkt bzw der Rippe, an der die nächste Areole im Scheitel entsteht. Der Abstand freier Rippen bleibt aber immer gleich. Das zu erkennen ist umso schwieriger,

    • je mehr Rippen eine Pflanze hat und
    • je kompakter sie wächst
    • je mehr übersprungene Rippen das jeweilige System hat.

    Bildet sich also viel wachsendes Gewebe an den Rippen, bevor wieder eine Areole entsteht, werden die Abstände zueinander größer und damit ist das Erkennen des Systems einfacher.

    Verspringen oder "aus der Reihe" kommt es optisch, wenn die Pflanze zusätzliche Rippen einschiebt oder, was auch vorkommt, welche reduziert. Nach "Systembruch" sieht es dann aber nur optisch aus, weil die Pflanze den freien Abstand der Rippen bis zur nächstfolgenden, an der eine Areole entsteht, nicht verläßt

  • Hallo Hans-Jürgen,


    ja, du hast recht, dass die mehrfachen Spiralen für die Reihenfolge des Areolenwachstums keinen Sinn machen.
    Das angegebene Verhältnis ist übrigens der durchschnittliche Winkel zwischen den zeitlich(!) benachbarten Areolen. Bei vielen meiner Kakteen bewegt sich das Verhältnis in der Nähe des Goldenen Winkels und weil der doch eher groß ist und dann die Spiralen nicht so leicht zu erkennen sind, kann man da eher sogenannte Fibonacci Spiralen erkennen, die immer jeweils die Areolen verbinden, welche einen Abstand aus der Fibonacci-Folge haben.


    Allerdings halten sich da nicht alle Kakteen dran. Mal abgesehen von denjenigen, deren Spiralen man einfach erkennen kann und deren Verhältnis/Winkel eher klein ist, gibt es ja noch die mit den Kreisen, die irgendwie gar nicht in diese Kategorisierung passen wollen. Bei denen habe ich grad noch keine Idee, wie das einzuordnen ist.


    Viele Grüße,

    Katja

  • Hallo Katja,
    vor vielen Jahren habe ich auch drüber gegrübelt und bei einer damals gemischten botanischen Sammlung gab es viele Möglichkeiten zu schauen und manchmal blieb es beim Versuch, es zu erkennen ;).

    Ich denke es liegt an der Regelmäßigkeit des Systems, dass man darin die Fibonacci-Regeln erkennen kann und in der Evolution der Welt der Pflanzen bildete diese Zahlenfolge als Grundlage der Positionierung von Blättern und Trieben die besten Überlebenschancen hinsichtlich der optimalen Nutzung des verfügbaren Sonnenlichts, auch wenn die Pflanzen bewusst sicher nicht viel von Arythmetik verstanden haben :D.
    Beim Versuch, die mittel- und längerfristigen Auf- und Abwärtsbewegungen an Börsen zu erkennen, treffen die Fibonaccizahlen übrigens auch überraschend oft zu - aber oft ist nicht immer.

    Zu deinen letzten Sätzen - vielleicht bringen wir bei Hybriden, bei denen eventuell auch typische Regeln, wie sich der Pflanzenneutrieb gestaltet, differenzierende Festlegungen zusammen, die dann zu keinem einheitlichen Stil führen (rein theoretischer Gedanke und passt nicht, wenn irgendeine Grundregel dafür in jedem fall wirksam wird). Und dabei denke ich wieder an die 3 Punkte (Leitbündel) in den Sämlingen, die ebenfalls ein nicht gelöstes Rätsel sind.