Kultur unter Kunstlicht / Wintervermehrung

  • Moin Stachelfreunde,


    nachdem hier in den letzten 2 Jahren überflüssigerweise immer mehr Themen im abgeschotteten Züchterbereich landen, mache ich einfach ein neues Thema im allgemein zugänglichen Bereich auf. Ich sehe keinen Grund dafür, warum nicht auch "andere" Interessenten darauf Zugriff haben sollten - vielleicht wird ja auch das ursprüngliche Thema verschoben und hier gerne zusammengeführt.

    _________________________________________________________________________________________________________


    Es ging um den Umbau meiner Anzuchtkiste von Leuchtstoff- auf LED-Röhren - auf Wunsch eines einzelnen Herrn ;) möchte ich den Bildbeweis antreten, fange aber aufgrund der üppigen Freizeit kurz nach dem Urknall an.


    Es begann mit zwei Leisten an einer unschuldigen, nackten Wand im Heizungskeller, direkt über dem Heißwasserspeicher:



    Es brauchte zunächst einen Seitenrahmen für die Station, zur Isolation mussten 5cm Styropor (gespachtelt) an die Wand.



    Bodenplatte rein und zur besseren Reflexion mit Dispersionsfarbe fluggs weiß gepinselt...



    Auf die Deckenplatte und den Zwischenboden wurden mit gebührendem (thermischen) Abstand die Sockel und Vorschaltgeräte für die Leuchtstoffröhren (LSR) installiert und später montiert.



    Anschließend seitlich verkleidet...,



    ...nochmals weiß gestrichen, mit Spiegelfliesen beklebt, um sich dann in der Gesamtansicht schlussendlich so zu präsentieren:



    Auf diese Gesamtansicht wird später noch Bezug genommen. Zunächst möchte ich aber auf das Thema Luft (Zu-, Um-, Frisch- und Abluft) eingehen, um welches es im nächstfolgenden Post gehen wird. Ohne ausführlich auf die Fotosynthese einzugehen, waren mir doch zumindest Themen wie Frischluftzufuhr bzw. Sauerstoff, CO2 sowie damit verbundene Temperaturen / -differenzen äußerst wichtig. Von daher stand für mich von Anfang an fest, dass in die Kiste unbedingt frische Luft von außen rein und aus der Kiste "gebrauchte Luft" auch wieder raus muss. Aber auch das Innen-Außen-Temperaturgefälle galt es gering zu halten und im Inneren sollten ebenfalls keine großen Temperaturunterschiede entstehen.

  • Also entschied ich mich für eine Terrariensteuerung (Lucky Reptile Thermocontrol).



    Sie erlaubt über zwei steuerbare Stromanschlussmöglichkeiten sowohl die innere Luftumwälzung als auch die Abluftabsaugung entweder zeitlich oder auch thermisch zu regeln.


    Für einen ersten Eindruck hier zunächst auch die verbauten Rohre, innen sowie außen:



    Es war ein Leichtes, den ohnehin im Heizungskeller vorhandenen Außenluftanschluss mit einem DN50 HT-Rohr anzuzapfen (langes graues Rohr über der Tür in Bild 006) und in der Mitte beider Ebenen enden zu lassen. In das HT-Rohr wurden bearbeitete Endstopfen eingeführt - über deren Tiefe im Rohr lässt sich die Frischluftmenge ganz passabel regulieren oder auch ganz stoppen:



    Links neben der Steuerung (Bild 100) befindet sich ein 10cm-Lüfter, der ab einem bestimmten, wählbaren Sollwert (28°C) anspringt und aus der ganzen Konstruktion die Warmluft absaugt. Je nach Jahreszeit kann die Aufheizung der Station bis zum Sollwert durchaus mehrere Stunden dauern. Erstens ist es im Heizungskeller maximal 17°C warm, zweitens kommt immer auch noch der Temperatur der Frischluft eine Rolle zu. Durch die lange Zuleitung hat die Luft ausreichend Zeit, sich der Raumtemperatur schön anzunähern - im Sommer kühlt sie gut ab, und jetzt bei den kalten Tagen im Februar war sie ausreichend vorgewärmt. Aber natürlich wird es im Sommer schneller warm im Inneren. Sobald also der Absauglüfter anspringt, tritt die selbstgehäkelte Zuluftklappe in Aktion - durch den im Inneren entstehenden Unterdruck lässt sie kühlere Luft aus dem Keller hinein.



    Keine große Sache: ein schräger Holzrahmen, zwei Schnippsel angeleimter Zwirn und ein passendes, ganz leichtes Stückchen einer 6mm Dämmplatte:



    Nachdem nun also Zu- und Abluft geregelt sind, ist nur noch die Luftumwälzung im Inneren zu gewährleisten. Die höchste Temperatur findet sich an den Leuchtmitteln, wünschenswert, vor allem bei Aussaaten, wäre sie doch aber unter dem Substrat. Was liegt also nährer, sie oben abzusaugen und unten einzublasen? (siehe auch 202 & 207) Also noch mehr Rohre, noch mehr Lüfter - die Terrariumsteuerung bietet schließlich die Möglichkeiten.



    Rohr, 90°-Winkel, Rohrschelle und bereits bekannter HT-Endstopfen, diesmal gelocht, nebst flüsterleisem Mini-Lüfter:



    Funzt super und ist praktisch wirklich kaum hörbar.


    Damit noch mehr Luft ins Innere kommt, steckt in der langen Frischluft-Zuleitung (zwischen zwei weiteren Endstopfen) ein Hochleistungslüfter, diesmal leider deutlicher hörbar:



    Schaufelt ordentlich und mit seinen lediglich 0,5 Watt läuft er (6 Tage noch!) seit 8 Jahren 24/7 ununterbrochen durch und hat seitdem tatsächlich gut 10 Euro verbraten, also einen guten Drittel Cent pro Tag. Zusammen mit den beiden Umlüftern und dem Ablüfter komme ich auf etwas über einen Cent am Tag - grad noch machbar...


    Der nächste Post wird das Ganze nun in Aktion zeigen bzw. die inzwischen verbauten LED-Röhren veranschaulichen.

  • Mit unterschiedlichen Lichtfarben bestückt, lassen sich die Unterschiede zwischen oben (840) und unten (865) gut erkennen - hier mit testweise installiertem Thermo-Hygrographen:




    Wie bereits angesprochen, ist der maximale Wirkungsgrad bei Leuchtstoffröhren nur mit Reflektoren zu erzielen:



    Auf zwei Ebenen lassen sich zwölf Mini-Gewächshäuser unterbringen, also 180 8er-Töpfchen oder 336 5er-Töpfchen - die beleuchtete Fläche beträgt


    2x 1,20 x 0,50m.



    Nachdem nun der Stromverbrauch nicht mehr zeitgemäß war, erfolgte der Umbau auf 5 LED-Röhren, die Beleuchtung wurde dadurch nicht nur gleichmäßiger, sondern auch noch heller, und es konnten trotzdem auch die Reflektoren entfernt werden:



    Auch die Steuerung konnte verkleinert werden (die Röhren wurden nicht mehr unterschiedlich geschaltet).



    Außerdem wurde der Absaug-Lüfter durch ein nervenschonenderes Model ersetzt. Auch wenn er wesentlich langsamer dreht, ist er effektiv und hebt trotz allem im Bedarfsfall seine Abdeckung (siehe auch Bild 100) weiterhin an:



    Die Schalen stehen auf abgelängten Dachlatten, die ihrerseits auf Styrodurstreifen aufliegen. Dadurch ist es möglich, die im oberen Bereich abgesaugte Warmluft unter die Schalen zu blasen. Auch praktisch: die Styrodurstreifen können nebst Lattung partiell entfernt werden, was auch höheren Pflanzen die Unterbringung ermöglicht.



    Ab morgen ziehen die Aussaaten ein, aber über den Winter ist der ganze Spaß nur für Sorgenkinder, Frostbeulen oder Notunterlagen vorgemerkt, auch gut geignet ist die Konstruktion für die Winterbewurzlung für Steckies, vortreiben von z.B. Kurkuma oder zum Vorgaukeln von Sonnentagen für den diesjährigen Ingwer.


    Habe fertig.


  • *merci*


    Was ich nur am Rande erwähnt habe, Dir aber vielleicht auch noch einen besseren Überblick vermittelt, sind die Temperaturen bzw. Steuerzeiten. Die Frischluft wird rund um die Uhr geliefert, die Umwälzung findet jedoch nur während der Beleuchtung und noch eine Stunde darüber hinaus statt. Sobald um 6 Uhr morgens die Röhren angeschaltet werden, liegt auch der Sollwert für den Ablüfter bei 28°C. Wenn dann 12-16 Stunden später, je nach (zu simulierenden) Jahreszeit, die Beleuchtung abschaltet, ist dieser Sollwert auf nur noch 18°C eingestellt. Sobald diese Temperatur im Inneren erreicht ist, schaltet der Lüfter ab, die Zuluftklappe schließt durch einfache Erdanziehung und auch die Absaug-Lüfterabdeckung fällt zu.


    Durch die ständige Frischluftzufuhr stünde die Kiste somit praktisch nachts unter Druck, was aber aufgrund mangelnder Dichtigkeit unwahrscheinlich ist. Jedenfalls sinkt so die Temperatur meistens noch etwas weiter, aber praktisch nie unter 16°C. Es ist also recht einfach, für Aussaaten eine Bandbreite von 16-28°C im Tag-/Nachtrhythmus zu erreichen. Je nach Saatgut und dessen Temperaturansprüchen lassen sich diese Werte natürlich variieren, bei Lithops, die nur ungerne Aussaattemperaturen wesentlich über 22°C haben, nehme ich zusätzlich für zwei Wochen den schmalsten Streifen aus der Frontabdeckung (Feder- und Nut-Styrodurplatten) heraus. Auf Frischluft kommt es in der Zeit in den Mini-Gewächshäuschen eh noch nicht so stark an.


    Auch wenn die Abwärme der 5 LED-Röhren deutlich geringer ausfällt (77,5 Watt gegenüber 126 Watt bei außerdem gleichzeitig erhöhtem Wirkungsgrad), ist sie nicht zu verachten und will gemäß Sollwerteinstellung auch weiterhin abgeführt werden. Leider mussten die Umlüfter durch die zusätzlichen Röhren etwas versetzt werden, weil dadurch zwischen den Röhren kein Platz mehr zur Absaugung vorhanden war. Letztendlich musste aber nur der obere 90°-Bogen entfernt werden (Bild 203/204).


    Fragen, Kritik, Verbesserungsvorschläge, zu Komponenten, Steuerung o.ä., sind immer hilfreich und willkommen.

  • :D

    Klar, kann man völlig overdosed finden. Hat mir vor allem 'nen Riesenspaß gemacht, gerade das Durchdenken und Planen. Andere Leute machen in der Zeit Sudoku oder besichtigen Molkereien... Ich wünschte, die Kiste könnte pikieren und umtopfen - das kommt jedenfalls noch vor dem Mondflug.

  • OMG, welch ein Aufwand.

    Das Ding kann doch demnächst bestimmt auch zum Mond fliegen? Oder Ausbrüten von Seidenhuhneiern.

    Bin ich froh, dass ich mit meinem Kasten nur die Aussaaten mache.

    Siegfried, deine Saattöpfchen sind ja nur 160 an der Zahl, da braucht man ja nicht so eine Raumkapsel.

    ich mit meinen 30 Töppen und kein Platz muss so etwas nehmen

    2x 18 Watt Leuchtstoff


    Aber wenn es Spaß macht so groß zu bauen und unter Licht zu züchten, immer zu:thumbup:

  • Klein aber fein, Hardy!

    ...wenn es Spaß macht...

    Ausschließlich. Ist doch bloß Hobby. Hobby ist doch, wenigstens teilweise, immer auch irrational. Man kann doch auch keinem "Normalsterblichen" erklären, warum man sich 1-5 Gewächshäuschen (für Kaktusse - hier in Deutschland!) in den Garten stellt, ohne dafür tatsächlich eine Notwendigkeit zu haben. Und dann auch noch diese völlig unnatürlichen Hübrieden >>> also sogar dem Herrn ins Handwerk gepfuscht - Blasphemie!! =O

  • Hallo Tim,


    Vielen Dank für diese ausführliche Beschreibung!
    Ich plane über den Sommer ein selbstgebautes “Sideboard”/Regal/Holzkiste umzubauen zu einer Aussaatstation/ Station zum Weiterkultivieren im Winter. Ein Teil der Technik läuft auch schon (LED Panels, Temperatursteuerungen,...) Da kann ich beim Umbau gut auf einige deiner Lösungen zurückgreifen und muss mir nicht alles selbst ausdenken. 🙂 Die Fläche meiner “Kiste” ist etwa 2,0x0,8m - da geht dann noch etwas für die Technik etc. weg, aber Platz habe ich dann hoffentlich auch reichlich, denke ich.

    Viele Grüße,

    Katja